Tops und Flops :: Filmkritiken

Mo., 18.09.2001, 20 Uhr Kinopolis Bad Godesberg
Mit: Andy, Claudia, Jan, Niels
Erwartungswertung: 7
Endwertung: 5


Ein Satz zum Inhalt: Ehrgeizige Wissenschaftler in der fernen Zukunft erschaffen den ersten liebenden Mecha in Gestalt eines jungen Kindes, der vergeblich um die Liebe seiner Adoptivmutter fleht und letztlich der mecha-feindlichen Umwelt ausgesetzt wird, in der der Junge nach der an Pinocchio angelehnten "blauen Fee" sucht um ein wirklicher Mensch zu werden.

Die größte Spannung bei der Auswahl des Filmes lag bei mir darin, herauszufinden wie ein bekennender Hollywood-Positiv-Regisseur Steven Spielberg die abstrusen und pessimistischen Ideen eines Stanley Kubrick umsetzt. Zu Kubrick muß ich sagen, daß ich leider zu dem Personenkreis gehöre, der schon bei Odyssee 2001 immer in der Mitte einschlief und Clockwork Orange weder vom Ansatz noch in der Ausführung verstanden hat. Aber immerhin hat mir Eyes Wide shut gut gefallen - auch wenn ich nicht begründen kann, warum.
Jedenfalls war ich auf das schlimmste vorbereitet, nämlich entweder eine total abstruse Geschichte, der man anmerkt, daß auch Spielberg sie nicht verstanden hat oder ein typischer Spielberg-Tralala-Film (die ich übrigens nicht schlecht finde, aber halt thematisch nicht sooo tiefgängig).

Aber nun zum Anfang des Films. Die erste Szene steigt ziemlich unvermittelt in die Diskussion der Wissenschaftler ein, die ihre neueste Schöpfung - den liebesfähigen Mecha - diskutieren. Hier fand ich, daß die Argumente für und gegen einen Emotionsfähigen Mecha ziemlich gut angerissen wurden. Am Anfang der Unterhaltung dachte ich, hier wird jetzt unbedingt ein Wunderwerk geschaffen, ohne das es jeglichen Nutzen hätte - dieser Nutzen wird jedoch direkt offensichtlich, als der Haupt-Wissenschaftler darüber berichtet, daß viele Elternpaare keine "Lizenz zum Kinderzeugen" erhielten und deshalb gerne einen möglichst realistischen Ersatz hätten.

Die folgenden Szenen führen die zukünftige Adoptivfamilie des jungen Mecha ein, der kurz darauf schon zur Familie stößt. Ich werde jetzt keine weitere detailierte Inhaltsangabe machen, dafür ist der Film einfach zu umfassend und bricht später in viele Episoden auf. Also erzähle ich lieber, was mir gefallen hat...in seiner Gesamtheit ist dies nämlich die Problematik des Mecha-Kindes in der Familie, was durch Spielberg ziemlich schön und mit eindrucksvollen Bildern umgesetzt wurde. Erwähnenswert finde ich insbesondere eine Essens-Szene am Küchentisch, in der die Szene so kompositioniert ist, daß die Kamera durch eine Lampe hinweg auf den Tisch blickt, mit dem Kopf des Jungen im Zentrum des Lampenschirms. Worauf ich hinauswill, der Junge wird so klar von seinem Umfeld abgegrenzt - zwar offensichtlich erkenntlich, aber sehr schön in Szene gesetzt.

Im folgenden wird noch die geniale Figur des Teddy-SuperToys eingeführt, bei dem ich mich an beste Ewok oder Gremlins-Zeiten erinnert wurde. Knuddelfaktor 10!

Die restlichen Szenen, auch als der "richtige" Sohn der Adoptivfamilie aus seinem Koma erwacht und zurückkehrt, sind recht ausführlich dargestellt und zeigen die Bruderkonflikte von Mecha und "Orga". Teilweise sogar mit sehr erdrückenden Gemeinheiten, die dem Zuschauer klar den Mecha sympathischer machen sollen aber andererseits auch gezwungenermaßen auftreten müssen. Optisch mit am furcheinflößendsten ist die Swimmingpool-Szene. Dort zieht der Mecha seinen Bruder unbeabsichtigt in den Pool, weil er sich von seinen Freunden bedroht fühlt, und droht mit ihm zu ertrinken. Die gesamte Familie stürzt nach dem Bruder, reißt ihn aus den Armen des Mecha und läßt ihn alleine im Pool ertrinken. Dieses Bild des mit "umarmenden" Armen abtauchenden Mechas ist ziemlich grausig anzusehen, und hätte mich im Kindes-Alter vermutlich zu jahrelangen Alpträumen gedrückt. Generell gibt es in dem Film viele Elemente, die etwas Horror/Psycho-anmutend sind, unter anderem eine psycho-typische Musik und sehr schräge Gesichtsausdrücke des Mecha - übrigends größenteils sehr gut gespielt von Haley Joel Osment, den ich in Sixth Sense auch sehr glaubwürdig fand. Natürlich driftet seine Mimik stellenweise sehr ins klischeehafte, aber da er wirklich einen "dummen" Mecha spielt, ist selbst das glaubwürdig. Der persönliche Höhepunkt des Filmes ist für mich in der Szene, als sich die Adoptivmutter entscheidet, ihn im Wald auszusetzen. Der Blick des Mecha und sein verzweifeltes "Nein, Mami, Nein..." als er die Lage begreift sind wirklich herzergreifend. Da mußte ich mich doch etwas beherrschen, auch wenn ich sonst recht nüchtern einen Film gucken kann.

(Warnung: Wer den Film noch sehen möchte, könnte hier wichtige Informationen lesen, die er noch garnicht wissen will!)
Und ab diesem Punkt baut der Film leider ab und driftet sehr stark ab in eine Pinochio-Verfilmung. Leider wurde das Hauptaugenmerk ab da an darauf gelegt, die große Hoffnung des Jungens zu verfolgen anstelle irgendwelche Konflikte herauszustellen - zumindest hätte mich das mehr interessiert bzw. bei Laune gehalten. Denn so hat man den Eindruck, als wäre das die Phase gewesen, bei der sich Spielberg nicht mehr an die Anweisungen Kubricks erinnern konnte. Dieser Mittelteil wurde aber zumindest durch den Love-Mecha (Jude Law) ganz gut aufgefangen, da er durch seine persönliche Geschichte und seiner "Programmierung" interessant ist. Das Schicksal der ausgedienten Mechas wird auch angerissen, aber verliert sich etwas in dem Aktion-Gemetzel - und man merkt, daß der Regisseur hier schnell mit der Befreiung der beiden Mechas voran wollte.

Der Rest der Odyssee des Jungens ist geprägt durch einige schöne Bilder und bestaunenswerte Architektur, beeindruckende Farben und einige lustige Gespräche - die Szene in der Fabrik bzw. Geburtststätte des jungen Mechas enthält auch einige Psycho-Elemente und nette Komposition (als David durch die Schachteln seiner Brüder wandert). Doch letzten Endes konzentriert sich alles zu sehr auf die Pinocchie-Analogie und verzettelt sich in der übertriebenen Fortführung dieses Thema.

Kommen wir nun also zu der Stelle, die Auslöser für meine Kritik ist. Das eigentliche Ende. David findet die Gestalt seiner blauen Fee, wird in seinem Submariner durch ein Metallgerüst unter Wasser eingesperrt...und sollte eigentlich sterben. Fade to Black, und es wäre ein wunderbares Ende gewesen und hätte zum Nachdenken angeregt. Bzw. es wäre ein Kubrik-Würdiges Ende an dieser Stelle gewesen. Aber nein...es setzt eine Off-Stimme ein, die mir erzählt, daß David 2000 Jahre dort unten eingeklemmt ist - bla bla, bla bla - und dann kommen auf einmal Aliens in Ihrem UFO daher und retten David aus dem Eis, das ihn nach ein paar hundert Jahren dort eingefroren hat. Als dieses Schiff angeflogen kam ist mir echt der Hut geplatzt...so eine Sache hat doch da garnichts verloren! In meiner Deutscharbeit hätte ich bei so einem Ende den Vermerk "Thema verfehlt, Sechs!" erhalten...und Spielberg, auf den ich dieses Ende zurückführe, geht noch weiter und konstruiert uns das letzte, unglaubwürdige Ende überhaupt, indem er durch eine Haarlocke die Adoptiv-Mutter Davids rekonstruieren läßt (argh!). Und das lustige, durch eine weitere Konstruktion kann die liebe Mama nur noch für einen perfekten Tag zurückgeholt werden...sorry, aber dazu fällt mir nur eins ein: Mega-Argh!!!!! Dieses dumme Ende zieht sich dann bestimmt eine halbe Stunde elendig in die Breite und hätte ich gewußt, was da noch kommt, wäre ich nach dem Tauchgang Davids aus dem Kino gegangen. So bleibt der fade Nachgeschmack eines sehr guten Anfangs, eines ganz netten Mittelteiles und einem grottenschlechten Ende, das die gesamte Wirkung des Filmes zerstört hat. Ich könnte jetzt noch weiter über dieses miese Ende fluchen, aber ihr wisst sicher, worauf ich hinaus will.